Erfolgreiche Unternehmen zeigen es: Wer Fehlzeiten seiner Belegschaft zu reduzieren weiß, hat Wettbewerbsvorteile am Markt, angefangen von Kosteneinsparungen über geringeren Organisationsaufwand bis hin zu einem besseren Employer Branding. Dabei wird oft ein wichtiger Faktor eines erfolgreichen Fehlzeitenmanagements noch zu wenig gewürdigt.

Psychogene (psychisch bedingte) Fehlzeiten: ein gravierendes Problem

Zunehmende Flexibilitäts- und Mobilitätsanforderungen an die Beschäftigten, Arbeitsintensivierung und -verdichtung, stärkere Vernetzung und Kooperation von Mensch und Maschine, Erhöhung kognitiver und emotionaler Beanspruchung – all dies führt zu psychischen Belastungen, denen viele Mitarbeiter nicht so ohne weiteres gewachsen sind. Das Ergebnis zeigt sich in den 2017 veröffentlichten Fehlzeiten- und Gesundheitsreports der Bundesregierung sowie diverser Krankenversicherungen (z. B. AOK, DAK, TK): Arbeitsunfähigkeitstage, Erwerbsminderungsrenten und Frühverrentung aufgrund psychischer Beeinträchtigungen steigen stetig. Nicht umsonst ist seit 2014 die psychische Gefährdungsbeurteilung gesetzlich vorgeschrieben. 

Fehlzeiten sind teuer: entgangene Wertschöpfung, Überstunden, Einarbeitungszeit und teilweise Überbelastung der Ausfall-kompensierenden Kollegen, Entgeltfortzahlung, zusätzlicher Organisationsaufwand, Konventionalstrafen bei Lieferschwierigkeit und weitere Opportunitätskosten. Besonders zu Buche schlagen die psychogenen Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) mit ca. 17 % aller AU-Tage und ca. 38 AU-Tagen pro Krankheitsfall (der Durchschnitt aller Erkrankungsfälle liegt bei 13 AU-Tagen). Bedenkt man, dass AU-Tage wegen Beeinträchtigungen des Muskel-Skelett-Systems (ca. 22 % aller AU-Tage, 20 AU-Tage pro Fall) und v. a. in deren Hauptgruppe „Rückenerkrankungen“ stark psychisch (mit-)bedingt sind, so bekommt die psychische Komponente bei Fehlzeiten ein noch größeres Gewicht. In diesem Zusammenhang sind auch Schlafstörungen relevant. Seit Jahren nehmen sie in den westlichen Industrienationen zu. Aktuell leiden daran ca. 35 Mio. Personen in Deutschland, das entspricht 42 % der Bevölkerung. Davon sind 15 % – 20 % behandlungswürdig. Ca. 3/4 aller Schlafprobleme sind psychogene Insomnien (Einschlaf- , Durchschlaf- und Aufwachstörungen). Zwar sind damit begründete Fehlzeiten eher gering, doch eine Mitarbeiterbefragung 2017 der DAK zeigt, dass 3,7 % aller Erwerbstätigen wegen Schlafstörungen nicht zur Arbeit erschienen. Auch bei Präsenz am Arbeitsplatz erzeugen Schlafstörungen große Probleme: Nicht nur die Leistung wird gemindert, sondern auch das Unfall- und Verletzungsrisiko erhöht sich mit der Folge zusätzlicher Fehlzeiten, die jedoch nicht psychischen Faktoren statistisch zugeschrieben werden.   

Wie können im Unternehmen psychogene Fehlzeiten effektiv reduziert werden?

Natürlich am besten, indem die dafür festgestellten Bedingungen verändert werden. In der baua-Studie 2017 zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt werden mittels eines Scoping Reviews und Mitarbeiterbefragungen die für psychische Gesundheit relevantesten Arbeitsbedingungsfaktoren herausgearbeitet und in 4 Themenbereiche gegliedert:

  1. Arbeitsaufgabe
  2. Arbeitszeiten
  3. Führung und Organisation 
  4. Physikalische Umgebung und Mensch-Technik-Interaktion

Der Fokus liegt hier auf den betrieblichen Verhältnissen. Diese so zu ändern, dass pathogene (krankmachende) Einflüsse reduziert und salutogenetische (gesundheitsfördernde) Faktoren ausgebaut werden, ist ein Muss ohne Wenn und Aber, das leider in der betrieblichen Praxis oft nicht in Angriff genommen wird. Ein Grund ist, dass systemrelevante Komponenten zu verändern sind, wie z. B.: Unternehmenskultur, Struktur- und Ablauforganisation, Personalstruktur, Entgeltsysteme, Arbeitsplatzgestaltung und -ergonomie, Aufgaben- und Ressourcenzuteilung, Führung und Arbeitsklima, wirtschaftliche Umstände und Arbeitsplatzsicherheit usw. Dieser Aufwand wird gerne vermieden. 

Zielführend für eine Lösung dieses Problems ist die Tatsache, dass sich ein Großteil dieser „betrieblichen Verhältnisse“ und das „Verhalten der Mitarbeiter“ wechselseitig beeinflussen. Deshalb können psychogene Fehlzeiten auch über Maßnahmen reduziert werden, die dort ansetzen, wo sie direkt anfallen: bei den ausfallgefährdeten Mitarbeitern. Diese Maßnahmen fördern salutogenetische Einstellungen und Verhaltensweisen, wirken präventiv gegen psychogene Arbeitsunfähigkeit und beeinflussen gesundheitsrelevante betriebliche Verhältnisse positiv. Diese wirken wiederum gesundheitsfördernd auf die Mitarbeiter zurück.

Ein modular aufgebauter Ansatz beinhaltet z. B.:

  1. Fehlzeitenanaylse, ökonomisch auf das jeweilige Unternehmen abgestimmt. 
  2. Psychische Gefährdungsbeurteilung.
  3. Festlegung von S M A R T – Zielen.
  4. Schätzung der Kosteneinsparung durch Fehlzeitenreduktion und des zu erwartenden ROI’s.
  5. Implementierung und Moderation von Gesundheitszirkeln.
  6. Salutogenetische Einstellungs- und Verhaltenstrainings für Mitarbeiter (betrifft Prävention gegen psychische Gesundheitsrisiken und Resilienz für psychische Anforderungen) mit Methoden, die schnell greifen, leicht vermittelbar und gut in den Alltag integrierbar sind.
  7. Evaluation der Maßnahmen.
  8. Konzeption einer salutogenetischen Nachhaltigkeitsstrategie.

Praxisbeispiel:

Situation: In einem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen lagen 2016 die Fehlzeiten bei knapp 8,5 % der Sollarbeitszeit, in den Bereichen D und F sogar über 12 % mit einer Betroffenenquote über 60 %. Eine in diesen beiden Bereichen durchgeführte freiwillige Mitarbeiterbefragung ergab, dass mehr als 3/4 aller Fehlzeiten psychisch, psychosomatisch oder mit Rückenproblemen (trotz sehr guter Arbeitsplatzergonomie) begründet wurden.

Planung und Ziele: Alle Mitarbeiter der Bereiche D und F sollten im 1. Halbjahr 2017 für ein salutogenetisches Training gewonnen werden mit dem Ziel, dass sich die gesamten Fehlzeiten im 2. Halbjahr um mindestens 1/3 reduzieren. Die Trainingsteilnehmer sollten lernen, psychische Fehlbelastungen zu verstehen und wahrzunehmen sowie präventive und salutogenetische Selbsthilfetechniken zu beherrschen.

Es wurden bereichsübergreifend Gruppen mit durchschnittlich 15 Personen gebildet, abgestimmt auf die Arbeitsorganisation. Für jede Gruppe wurden 4 halbtätige Trainings im Abstand von 4 Wochen angesetzt, Einzelcoachings in Absprache und nach bestimmten Kriterien und ein Follow-up-Check nach 8 Wochen. Insgesamt sollten 60 Personen teilnehmen. Die direkten Lug-Kosten für Fehlzeiten in diesen Bereichen lagen bei 235 T € p. a. (Bei Hinzurechnung indirekter Kosten ist lt. Musterrechnungen ein Faktor von 1,2 – 2 anzusetzen.) Gemäß o. g. 1/3 – Vorgabe sollten von diesen 235 T € im 2. Halbjahr 2017 knapp 40 T € und in 2018 knapp 80 T € eingespart werden – ein Mehrfaches des Trainingsinvestments. 

Durchführung, Inhalte und Methoden: Bei einer Kick-off-Veranstaltung, die über psychische Bedingungen von Fehltagen, ihre persönlichen und betrieblichen negativen Konsequenzen sowie über nützliche persönliche Maßnahmen informierte, wurden die Mitarbeiter zur Teilnahme am Training erfolgreich motiviert. Persönliche Zielklärung, theoretischer Input, Übungspraxis und Evaluation waren die Elemente jeder Trainingseinheit mit den Inhalten: praxisnahe Vermittlung der Funktionsweise psychischer Fehlbelastungen, Verständnis salutogenetischer und präventiver Konzepte, Sensibilisierung für individuelle Faktoren psychischer Fehlbelastung, Beherrschung individueller präventiver und salutogenetischer Selbsthilfetechniken. Methoden kamen zum Einsatz aus: Embodimentorientierten Konzepten, Hypno-imaginativen Verfahren, Impact-Ansätzen, lösungsorientierter Beratung, systemischer Aufstellungsarbeit.

Evaluation: Bei über 90 % der Mitarbeiter lag die subjektive Erfolgsbewertung 8 Wochen nach Trainingsende zwischen 7 und 9 Erfolgspunkten auf einer Skala von 0 bis 9. Die gemessenen Fehlzeiten reduzierten sich von Juli bis Oktober 2017 um 42 %. Das sind gute Aussichten für 2018.


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